14.01.2021
Stralsund macht’s vor: Geheizte Stube mit Wärme aus dem Abwasserkanal

Sven Westendorff von der SWS Natur vor dem Bildschirm in der Schill-Grundschule (Quelle: SWS)

Die SWS Stadtwerke Stralsund und ihre Tochterunternehmen setzen auf Klimaschutz durch die zunehmende Nutzung alternativer Energien. Welche Rolle dabei Schuldächer oder Abwasserleitungen spielen, erklären die Geschäftsführer.

Mit etwa sechs Prozent weniger Stromabsatz und vier Prozent Minus bei der Gasversorgung rechnet Andreas Mayer, kaufmännischer Geschäftsführer der Stadtwerke-Tochter SWS Energie, durch die Schließungen von Hotels, Gaststätten und im Einzelhandel wegen der Einschränkungen, die mit der Corona-Pandemie im Frühjahr sowie zum Ende des vergangenen Jahres verbunden waren.

„Genauere Zahlen werden jedoch erst nach den jetzt laufenden Abrechnungen vorliegen“, sagt Mayer, der ansonsten resümiert: „Das operative Geschäft ist jedoch weitgehend normal weitergelaufen.“

Über 16 000 Wohneinheiten mit Fernwärme versorgt

Das bestätigt auch sein Kollege Ralf Bernhardt, technischer Geschäftsführer des Energieversorgers. „Da hat der Klimawandel für uns schon mehr Einfluss auf den Gas-, Strom- und vor allem den Wärmeabsatz“, sagt Bernhardt. Hatten die Energieversorger ihre Prognosen für die Planung des Wärmeabsatzes über 20 Jahre im Mittel erstellen können, so ist diese Berechnungsgröße nicht zuletzt durch zunehmend weniger kalte Winter auf fünf Jahre zusammengeschrumpft. In der Hansestadt versorgt die SWS Energie gut 16 000 Wohneinheiten mit Fernwärme.

Neue Technologien für die Zukunft

Eine Möglichkeit, den verminderten Wärmeabsatz zu kompensieren, ist für Ralf Bernhardt der Ausbau von Neuanschlüssen. „Bislang ist uns das gut gelungen“, sagt er. Andreas Mayer setzt dabei auch auf die Nutzung neuer, alternativer Energieerzeugung, die attraktiv für den Kunden sind und Vorteile für den Klimaschutz bieten. So setzt die SWS Energie im Zusammenhang mit dem neuen Wohngebiet, das die Stralsunder Wohnungsbaugesellschaft (SWG) an der Reiferbahn bauen will, auf eine neue Technologie zur Wärmeversorgung. Die geplanten 140 Wohnungen sollen mit Wärme aus dem Abwasserkanal versorgt werden. Unter der Reiferbahn liegt einer der großen Kanäle in Richtung Kläranlage.

Stralsund grüner aufstellen

„Wir wollen aus dem Abwasser mittels eines Wärmetauschers komplett die Energie für Warmwasser und Heizung gewinnen“, erläutert Ralf Bernhardt das Vorhaben, bei dem die SWS Energie eng mit der SWG und der Regionalen Wasser- und Abwassergesellschaft Rewa zusammenarbeitet. Der Startschuss für das Bauvorhaben erfolgt in diesem Jahr. Für Andreas Mayer ist das ein guter Ansatz: „Wir versuchen, mit solchen Projekten Stralsund für die Zukunft etwas grüner aufzustellen.“

Aus Windstrom wird Fernwärme

Diesem Ziel folgt auch das Vorhaben, das Blockheizkraftwerk an der Prohner Straße gegenüber dem Friedhof mit einer Power-to-Heat-Anlage auszurüsten. „Hier entsteht die erste Anlage dieser Art in Mecklenburg-Vorpommern. Die Planungen für diese 1,3-Millionen-Euro-Investition beginnen in diesem Jahr, der Baustart ist für 2022 vorgesehen“, sagt Ralf Bernhardt.

Der Clou an dem Neubau: Mittels der Kraft aus überschüssigem „grünen“ Windstrom des Netzbetreibers 50 Hertz wird nach der Funktionsweise eines riesigen Tauchsieders Warmwasser für die Fernwärme erzeugt und damit Erdgas eingespart. „Das Blockheizkraftwerk selbst, das derzeit noch mit drei Motoren aus Gas Wärme und Strom erzeugt, wird für sechs Millionen Euro auf zwei effektivere große Motoren umgerüstet.

Erdwärme beheizt Schulgebäude

Alternativ mit Erdwärme beheizt wird jetzt schon die im vergangenen Jahr fertiggestellte neue Turnhalle an der Grundschule Andershof. Die Wärme gewinnt die SWS Energie hier mittels eines Flächenkollektors aus dem Boden. Etwas aufwendiger ist da schon das Erdwärmeprojekt für die künftige Wärmeversorgung des Schulzentrums am Sund.

Gleich hinter dem Gebäude der SWS Stadtwerke entsteht auf dem Schulcampus bis Ende 2022 ein viergeschossiger Neubau für den Regionalschulteil. „Die Wärmeversorgung organisieren wir über ein Projekt, das aus 50 etwa 100 Meter tiefen Bohrungen Erdwärme aus dem Stralsunder Untergrund nach oben holt“, sagt Ralf Bernhardt.

95 000 Kilowattstunden Solarstrom

Die Stralsunder Schulen haben die SWS Stadtwerke in Kooperation mit der Hansestadt auch noch bei einem Projekt in Sachen alternativer Stromerzeugung im Blick. So hat das Tochterunternehmen SWS Natur 2020 auf den Dächern der IGS Grünthal, der Schill-Grundschule sowie der Förderschule „Astrid Lindgren“ sowie auf den Kitas „Am Stadtwald“, „Käpt’n Blaubär“ und „Lütt Matten“ moderne Photovoltaikanlagen installiert, die Sonnenlicht in Strom umwandeln. Eine solche Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 100 Kilowatt peak (kWp) in der Spitze kann durchschnittlich etwa 95 000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen.

Schlauer Fuchs erklärt Kindern den Strom aus der Sonne

Die Gesamtheit der SWS-Anlagen auf den städtischen Dächern von Kindertagesstätten und Schulen haben inzwischen eine Leistung von über einem Megawatt in der Spitze. Damit können etwa 325 Haushalte mit klimafreundlichem Strom versorgt werden. Und da man nicht früh genug damit anfangen kann, den Klimaschutz und seine technischen Möglichkeiten zu vermitteln, gibt es für die Schulen und Kitas auch noch ein digitales Visualisierungspaket dazu.

So informiert an der Schill-Schule ein kleiner Fuchs auf einem Monitor kindgerecht mithilfe von Grafiken und Bildern, wie viel Strom die Sonne erzeugt, wie viel CO2 sich damit einsparen lässt und welche Haushaltsgeräte wie lange mit dem Sonnenstrom betrieben werden könnten.

 

Quelle: Ostsee-Zeitung Stralsund (Jörg Mattern)